Viele Menschen glauben, dass sie ihren Eltern Dank dafür schulden, dass sie ihnen das Leben geschenkt, sie aufgezogen und für sie gesorgt haben. Die Philosophin Barbara Bleisch argumentiert jedoch, dass dies nicht der Fall ist. In diesem Artikel werden wir uns mit ihrer Argumentation befassen und die Komplexität der kindlichen Verpflichtungen untersuchen.
Das Schuldenkonzept
Um Bleischs Perspektive zu verstehen, ist es wichtig, zunächst den Schuldenbegriff zu untersuchen. Schulden werden typischerweise als finanzielle Verpflichtung verstanden, etwas zurückzuzahlen, sei es Geld oder Waren. Der Schuldenbegriff lässt sich aber auch auf soziale und moralische Verpflichtungen anwenden. Im Fall von Kindeswohlverpflichtungen wird die Schuld oft als Schuld der Dankbarkeit und Wertschätzung für die Opfer und Bemühungen unserer Eltern angesehen.
Bleischs Argument
Bleisch stellt diesen Begriff der Schuld in Frage, indem er argumentiert, dass er auf einem fehlerhaften Verständnis der Eltern-Kind-Beziehungen beruhe. Sie behauptet, dass Eltern ihren Kindern keinen Gefallen tun, indem sie sie haben und großziehen, sondern dass es eine Entscheidung ist, die sie für ihre eigene persönliche Entfaltung treffen. Daher schulden Kinder ihren Eltern für diese Wahl keine Gegenleistung.
Darüber hinaus argumentiert Bleisch, dass die Idee der Sohnesschuld die unterdrückende Machtdynamik innerhalb der Familie verstärkt. Es versetzt das Kind in eine Position der Schuld und der Unterwürfigkeit gegenüber den Eltern, anstatt es als autonome Individuen mit eigener Entscheidungsfreiheit zu behandeln.
Die Rolle von Gesellschaft und Kultur
Es ist wichtig anzumerken, dass Bleischs Argument nicht bedeutet, dass wir unseren Eltern keine Wertschätzung und keinen Respekt entgegenbringen sollten. Das Ausmaß, in dem wir uns dazu verpflichtet fühlen, kann jedoch von gesellschaftlichen und kulturellen Normen beeinflusst werden. In manchen Kulturen wird der Respekt gegenüber den Eltern und die Verpflichtung zur Fürsorge für die Eltern im Alter stark betont. In anderen wird die Unabhängigkeit und Autonomie des Einzelnen höher bewertet.
Balance zwischen individueller Autonomie und familiären Pflichten
Wie können wir also zwischen diesen konkurrierenden Werten individueller Autonomie und Verantwortung für die Familie navigieren? Bleisch schlägt vor, dass es wichtig ist, offene und ehrliche Gespräche mit unseren Eltern über unsere Erwartungen und Grenzen zu führen. Wir können uns auch bemühen, in unseren familiären Beziehungen ein Gefühl gegenseitigen Respekts und Verständnisses zu kultivieren.
Es lohnt sich auch, darüber nachzudenken, wie unsere Gesellschaft und Kultur den Einzelnen dabei unterstützen kann, seiner Verantwortung gegenüber seiner Familie nachzukommen. Dazu könnten Maßnahmen wie bezahlter Familienurlaub, Unterstützung bei der Pflege älterer Menschen und flexible Arbeitsregelungen gehören.
Fazit
Abschließend stellt die Philosophin Barbara Bleisch die Vorstellung in Frage, dass wir unseren Eltern Dankbarkeit schulden, und weist darauf hin, dass diese Vorstellung die unterdrückende Machtdynamik innerhalb der Familie verstärkt. Es ist wichtig, die Rolle gesellschaftlicher und kultureller Normen bei der Gestaltung unseres Verständnisses von kindlichen Pflichten zu berücksichtigen und ein Gleichgewicht zwischen individueller Autonomie und familiärer Verantwortung zu finden.